Slowakei: Zwei Reaktoren sollen veraltete AKWs ergänzen

Nun will auch die Slowakei in das Klageverfahren um die britischen Atombeihilfen einsteigen – als Streithelfer auf Seiten der EU-Kommission. Wirft man einen Blick auf die Energieversorgung des Landes, wird klar: neben Ungarn und Tschechien wird der Gerichtsstreit um Hinkley Point C auch für die Slowakei zum Präzedenzfall.

Schon Ende der 1950er Jahre entwickelte man in der damaligen Tschechoslowakei einen eigenen Reaktortyp, der 1972 seinen ersten Einsatz am Standort Bohunice fand. Bereits fünf Jahre später wurde dieser Reaktor jedoch abgeschaltet. Zuvor hatten sich zwei schwere Unfälle mit zwei Todesopfern ereignet – wobei einer der Störfälle die Einstufung 4 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare und radiologische Ereignisse (INES) auslöste. Bis heute steht die unsanierte Altlast auf dem Gelände. Nach dem Vorfall setzte man auf den Einsatz sowjetischer Reaktoren vom Typ WWER.

Heute sind in der Slowakei insgesamt vier Reaktorblöcke in Betrieb, die sich auf die beiden Standorte Bohunice und Mochovce verteilen. Diese sorgen für knapp 52 Prozent der slowakischen Stromproduktion. Alle vier Reaktorblöcke werden von der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2ooo aufgrund ihrer veralteten Konstruktionsweise als „Hochrisikoreaktoren“ eingestuft. Betreiber der Atomkraftwerke ist, seit der mehrheitlichen Übernahme der slowakischen Slovenské Elektrárne, der italienische Energiekonzern ENEL.

Am Standort Bohunice wurden 2006 beziehungsweise 2008 zwei als besonders riskant betrachte Reaktoren im Zuge des EU-Beitritts der Slowakei vom Netz genommen. Als der russisch-ukrainische Gasstreit 2009 auch in der Slowakei zu Versorgungsknappheit führte, wurde über ein Wiederanfahren der Reaktoren diskutiert. Massiver Widerstand aus anderen europäischen Staaten, allen voran aus dem benachbarten Österreich, konnte dies jedoch verhindern. Die Besorgnis auf Seiten Österreichs über die allesamt stark veralteten AKWs, die teilweise weder über eine Notkühlung noch über eine Schutzhülle (Containment) verfügen, ergibt sich durch die Grenznähe der Standorte. Die aktuell noch betrieben Blöcke 3 und 4 in Bohunice gingen 1985 ans Netz und wurden später westlichen Sicherheitsstandards angepasst. Trotz der Erklärung, die Reaktoren 2015 abzuschalten, strebt die Solwakei nun allerdings eine Laufzeitverlängerung an. Parallel ist geplant, bis zur Abschaltung einen weiteren Kraftwerksblock oder alternativ ein Gaskraftwerk zu errichten.

Frühere Probleme bei der Finanzierung

Der nicht weit entfernte zweite Kraftwerksstandort nahe dem Ort Mochovce besteht aus vier Reaktorblöcken. Nur zwei Blöcke wurden fertiggestellt, obwohl die ursprünglichen Bauarbeiten bereits 1984 anliefen. Probleme in der Finanzierung bedingten den Baustopp für die Blöcke 3 und 4. Die ersteren beiden gingen 1998 und 2000 ans Netz. Seit etwa zehn Jahren plant Betreiber ENEL jedoch, die brach gelegen Bauruinen fertigzustellen – dies, obwohl die veraltete, ursprüngliche Konstruktion kein Containment für den Unglücksfall, keine Erbebensicherheit und eine nur unzureichende Sicherung gegen Flugzeugabstürze besitzt.

Die geplanten Reaktoren vom Typ WWER 440/V213 weisen damit laut Expertenmeinung keineswegs ein zeitgemäßes Schutzniveau auf. Die Europäische Kommission empfahl nach einer Bewertung des Bauvorhabens (vorgesehen im Rahmen des Euratom-Vertrags) an den zwei Reaktorblöcken „eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen“ (EC IP/08/1143). Auch wenn slowakische und teilweise internationale Sicherheitsanforderungen erfüllt zu sein scheinen, weißt auch die Kommission auf Mängel hin, die sich durch die veraltete Grundbauweise ergeben.

Umweltprüfung erst nach öffentlichem Druck

Lange hatte die slowakische Regierung eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Ausbau der Blöcke 3 und 4 verweigert – obwohl eine solche nach dem Übereinkommen von Espoo bei Bauvorhaben mit grenzüberschreitender Wirkung notwendig wird. Die Slowakei berief sich stattdessen auf eine vor 30 Jahren eingeholte Baubewilligung. Gegen die Genehmigungen der slowakischen Atomaufsichtsbehörde wurde im In- und Ausland versucht, gerichtlich vorzugehen. So klagte die Politikerin Eva Glawischnig (Grüne Partei Österreich) auf „Unterlassung der Gefährdung durch radioaktive Immissionen – scheiterte allerdings in zweiter Instanz vor dem Landesgericht Wien. Unter großem öffentlichen Druck, gerade von Seiten österreichischer und slowakischer Umweltschutzverbände, konnte letztlich 2009 eine Durchführung der UVP durchgesetzt werden – letztlich aber kein Baustopp. Lediglich ein „Sicherheitsdialog“ im Rahmen des „Nuklearinformationsabkommens“ mit Österreich soll geführt werden.

Wie im August diesen Jahres bekannt wurde, hat der italienische Betreiber ENEL jedoch selbst Gespräche über den Verkauf der momentan gehalten Anteile von 66 Prozent am größten slowakischen Stromproduzenten Slovenské Elektrárne aufgenommen. Die restlichen 33 Prozent des Unternehmens befinden sich nach wie vor in der Hand des slowakischen Staates. Als möglicher Käufer hat sich der tschechische Energieriese Energetický a Průmyslový Holding (EPH) gefunden. Der Kaufvertrag soll jedoch erst vollständig erfüllt sein, sobald die in Bau befindlichen Reaktoreinheiten 3 und 4 des Kraftwerks Mochovce durch ENEL fertiggestellt werden. Nach mehrjähriger Verschiebung dieses Termins und wiederholt korrigierten Baukosten – von rund 2,8 auf 3,8 Milliarden Euro – ist damit frühestens 2017 zu rechnen.

Text: Falk Künstler / Foto: rigolotte / fotolia