blog
EnergiewendeEnergiepolitikNeues Marktmodell: Echte Öko-Energie statt Börsen-Graustrom

Neues Marktmodell: Echte Öko-Energie statt Börsen-Graustrom

Saubere Energie von der Windmühle direkt zum Verbraucher: das wünschen viele Kunden in Deutschland. Tatsächlich landet der Ökostrom aus den EEG-Anlagen meist an der Börse, wo er als „Graustrom“ verramscht wird. Dagegen regt sich Widerstand – und mehrere Branchen-Akteure haben nun ein neues Vermarktungskonzept entwickelt, welches das bisherige Marktprämien-System ergänzen könnte. Zu den Initiatoren dieses „Grünstrom-Markt-Modells“ gehört auch Greenpeace Energy. Marcel Keiffenheim ist dort zuständig für Energiepolitik und erklärt im Interview, warum ein solches Zusatz-Modell gleich mehrfach Sinn macht.

Frage: In diesen Tagen wird das „Grünstrom-Markt-Modell“ einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Wieso brauchen wir überhaupt ein neues Direktvermarktungsmodell für Ökostrom?

Keiffenheim: Eigentlich sieht eine gute Ökostrom-Versorgung ja so aus, dass die vielen Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen hierzulande auch dafür genutzt werden, um tatsächlich Kunden direkt zu versorgen. Dass die Kunden also wissen: Aus diesem Windrad am Horizont kommt mein Strom her. Nur ist das in Deutschland nicht so. Es wird alles an die Börse gebracht – und an der Börse wird ein großer Brei daraus, zusammen mit den Lieferungen aus anderen, auch konventionellen und schmutzigen Kraftwerken. Die Kunden bekommen einen nicht mehr identifizierbaren „Graustrom“. Das ist nicht das, was die Kunden wollen – die wollen nämlich lieber aus konkreten Ökostrom-Anlagen versorgt werden, direkt und transparent.

Frage: Das Marktprämienmodell, das diesen Börsen-Weg vorsieht, ist längst festgeschrieben. Wie kann denn ein alternatives Vermarktungsmodell überhaupt noch zum Zuge kommen? Auch das neue EEG ist ja seit Anfang August schon in Kraft…

140827_Handelsblattkonferenz_Keiffenheim 02_c_Luca_ Abbiento (1)
Marcel Keiffenheim präsentiert das Grünstrom-Markt-Modell auf der Handelsblatt-Konferenz zum Thema Energie, Ende August 2014. Foto: Luca Abbiento/Euroforum

Keiffenheim: Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es nicht der Weisheit letzter Schluss ist, den gesamten Ökostrom an der Börse zu verramschen. Deshalb gibt es im EEG eine „Verordnungsermächtigung“ – also eine Art Platzhalter –, damit eine Direktvermarktung von Strom aus konkreten Erneuerbaren-Energien-Anlagen an Endkunden ermöglicht wird. Wie das genau funktionieren soll, steht da aber noch nicht fest. Jetzt geht es darum, einen konkreten Vorschlag für ein gutes Modell zu machen – und diesen dann über die Verordnungsermächtigung im EEG zu verankern.

Frage: Green Planet Energy hat nun zusammen mit anderen Branchen-Akteuren einen solchen konkreten Vorschlag gemacht: Das Grünstrom-Markt-Modell. Was ist der Kern dieses Modells?

Keiffenheim: Das Grundprinzip des Grünstrom-Markt-Modells ist, dass Kunden eine Mindestmenge Strom direkt aus erneuerbaren Energien-Anlagen beziehen. Ein Stromversorger, der an diesem Modell teilnimmt, zahlt den jeweiligen Anlagen ihre volle Vergütung. Insgesamt müssen die Zahlungen des Stromversorgers an EEG-Anlagen der durchschnittlichen EEG-Vergütung entsprechen. Und falls ein Anbieter Anlagen mit unterdurchschnittlicher Vergütungshöhe unter Vertrag nimmt, muss er die Differenz ans EEG-Konto zahlen. Damit ist das Grünstrom-Markt-Modell fair gegenüber anderen Verbrauchern und dem EEG-System. Und es können im Prinzip alle EEG-Anlagen über das Modell vermarktet werden und nicht nur einige besonders billige, wie das im früheren Grünstrom-Privileg der Fall war.

Frage: Welcher Mehrwert wird dadurch geschaffen?

GMM_Logo_c_CarstenRaffel
Die Idee des neuen Vermarktungsmodells: Ökostrom aus konkreten Anlagen kommt direkt zum Endkunden. Grafik: Carsten Raffel

Keiffenheim: Es gibt drei wesentliche Nutz-Effekte, die wir mit dem neuen Modell erzielen. Erstens: Laut einer repräsentativen Umfrage in Auftrag von Greenpeace Energy wollen 84 Prozent der Deutschen auf diese direkte Weise mit Strom versorgt werden. Dies umzusetzen ist nach unserer festen Überzeugung äußerst wichtig, um die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung zu erhalten und weiter zu stärken. Der zweite Vorteil ist, dass über das Grünstrom-Marktmodell dezentrale und ökologisch ausgerichtete Versorgungskonzepte möglich bleiben. Und drittens sorgt unser Modell dafür, dass die fluktuierend erzeugten grünen Kilowattstunden besser in eine sichere Versorgung von Kunden integriert werden. Dies geschieht über so genannte Integrationszahlungen, die immer dann fällig werden, wenn ein Versorger seine Wind- und Solarstrommengen nicht vollständig an die Kunden weitergeben kann.

Frage: Eine solche Überschuss-Regelung ist im bisherigen Marktprämienmodell nicht enthalten?

Keiffenheim: Bei der Marktprämie werden Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen einfach abgeschaltet, wenn zu viel Strom vorhanden ist und an der Börse negative Preise erzielt werden. Das ist ökologisch falsch und bringt auch ökonomische Nachteile. Um die Integrationszahlung zu vermeiden, wird sich im Grünstrom-Markt-Modell hingegen jeder Stromversorger richtig Mühe geben, den schwankenden Verbrauch der Kunden und die schwankende Einspeisung der wetterabhängigen erneuerbaren Energien zusammenzubringen. Das geht mit entsprechenden Tarifen, mit Lastverschiebung oder mit Speichern. Also mit Instrumenten, die wir energiewirtschaftlich dringend für den Erfolg der Energiewende entwickeln müssen.

Frage: Wird sich das neue Modell denn kostenmäßig aufs EEG-Konto auswirken?

Energiekosten
Das Grünstrom-Markt-Modell ist kostenneutral fürs EEG-System, bringt aber einen Mehrwert für die Verbraucher und die Integration von schwankenden Energieträgern. Foto: M. Schuppich / fotolia

Keiffenheim: Das Grünstrom-Markt-Modell ist mindestens kostenneutral fürs EEG-System – denn das, was die teilnehmenden Anlagen-Betreiber zusätzlich an Geld für ihren Ökostrom bekommen, bezahlt ja der Stromversorger aus eigener Tasche. Der Versorger wiederum kann sich das leisten, denn er muss nach unserem Modell keine EEG-Umlage abführen, wenn er diesen Strom an seine Kunden weiterverkauft. Das bleibt sich also gleich. Weil darüber hinaus im Grünstrom-Markt-Modell Integrationszahlungen anfallen können, wird das EEG-System unterm Strich sogar leicht entlastet.

Frage: Das Modell liegt jetzt auf dem Tisch, wie geht es jetzt konkret weiter?

Keiffenheim: Wir haben dieses Modell jetzt soweit entwickelt, dass es aus unserer Sicht rund und überzeugend ist. In den nächsten Wochen und Monaten wollen wir das Modell auch anderen Akteuren vorstellen und versuchen, einen möglichst breiten Konsens in der Branche herzustellen. Selbstverständlich sind wir dabei offen für weitere Verbesserungen am Grünstrom-Markt-Modell . Wir möchten dann zeitnah, spätestens Anfang des nächsten Jahres mit dem Bundeswirtschaftsministerium darüber sprechen, wie dieser Vorschlag per Verordnung in das EEG eingefügt werden kann. Dann sollte es aus unserer Sicht möglich sein, dass das Modell dann im Laufe des nächsten Jahres in Kraft tritt – um möglichst bald seinen Nutzen für die Energiewende zu entfalten.

Auf unserer Info-Webseite zum Grünstrom-Markt-Modell finden Sie eine animierte Übersicht über die Funktionsweise sowie alle Vorteile und Hintergründe zum Modell kompakt erklärt.

 

Christoph Rasch
Christoph Rasch
Arbeitete lange als Journalist und Autor für Tageszeitungen, Magazine und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Seit dem Frühjahr 2014 im Bereich Politik und Kommunikation bei Green Planet Energy tätig.