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Nachhaltiger AlltagTipps & InspirationenNeues Buch: Ein Blick in die deutsche Klimazukunft

Neues Buch: Ein Blick in die deutsche Klimazukunft

Dachgeschosse werden unbewohnbar, Bahnschienen schmelzen dahin und selbst den Kühen wird es zu warm. Das hört sich für so manche nach düsterer Prognose an, ist aber ein erstaunlich realistisches Szenario. Die Journalisten Nick Reimer und Toralf Staud werfen in ihrem Buch anhand konkreter Alltagsbeispiele einen Blick in die Zukunft: Deutschland in der Klimakrise.

Die beiden Autoren, ausgewiesene Spezialisten für Klimathemen, haben dazu mit Expert:innen aus verschiedenen Bereichen wie der Klimawissenschaft, dem Verkehrswesen, der Landwirtschaft, dem Energiesektor und der Politik gesprochen. In ihrem Buch „Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ geht es aber weniger um Handlungsvorschläge zur Bekämpfung der Klimakrise, als um die Beschreibung, wie sich die Folgen der Klimakrise in Deutschland im Jahr 2050 bemerkbar machen werden, wie Co-Autor Nick Reimer das Konzept erklärt.

Schon jetzt liegt die Durchschnittstemperatur laut Daten des Deutschen Wetterdienstes 1,6 °C höher als im Vergleichsjahr 1881. In 29 Jahren, also im Jahr 2050, dürfte es in Deutschland bereits bis zu 2,3 °C wärmer sein wird als im Referenzjahr 1881, so die Prognose. Und das unabhängig davon, was wir von jetzt an für den Klimaschutz unternehmen. Grund dafür sind die Mengen an CO2, die sich seit Beginn der Industrialisierung bereits in der Erdatmosphäre angesammelt haben. Angesichts der Risiken, die der Klimawandel mit sich bringt, müssten wir in heller Aufregung sein, meinen Nick Reimer und Toralf Staud in ihrem Buch.

Basis der Prognosen ist eine enorme Datenfülle: Reimer und Staud haben hunderte Interviews mit Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis geführt und etliche Studien zusammengetragen.Schritt für Schritt erläutern sie dann, was genau eine Temperaturerhöhung von zwei Grad und mehr für unseren Alltag bedeutet und wie wir uns an die Folgen voraussichtlich werden anpassen müssen:

2,3 °C wärmer – was macht der Temperaturanstieg mit unserem Alltag?

Mit länger anhaltenden Hitzeperioden werden sich auch die Niederschläge und deren Intensität ändern: Im Winter wird es mehr, im Sommer weniger regnen. Extreme Starkregenereignisse werden vermehrt auftreten und Überschwemmungen mit sich bringen. Dennoch wird zugleich die Trockenheit zunehmen, denn ausgetrocknete Böden können den Regen nicht schnell genug aufnehmen. Die Folge: ein sinkender Grundwasserspiegel, der die Wasserversorgung der Bevölkerung und der Industrie gefährdet.

Auch die Landwirtschaft steht unter hartem Anpassungsdruck: Kuhställe müssen in lang anhaltenden Hitzeperioden gekühlt werden, da sich Kühe bei 15 ° C am wohlsten fühlen und es ihnen schon ab 24 ° C zu heiß zum Milchgeben wird. Landwirt:innen werden wärmeresistenteres Getreide anbauen um ihre Ernteerträge erhalten zu können. Die Klimakrise wird auch die Böden und den nahrhaften Humus verändern: Trockenheit und der Temperaturanstieg lassen die Humusschicht schwinden.

Der Tourismus wird sich ebenfalls stark umstrukturieren: So werden Ostseeurlauber:innen im Sommer nicht mehr sorglos baden gehen können, da das wärmere Wasser ideale Bedingungen für gefährliche Bakterien und Algen darstellt. Reimer und Staud betonen, dass es kaum einen Bereich gebe, in dem sich zuverlässlicher in die Zukunft blicken lässt als beim Klima. Doch nicht nur im Norden Deutschlands auch am Mittelmeer wird’s ungemütlich. Die Klimamodelle verbildlichen, dass Erholungssuchende gerne in den Norden pilgern um dort der extremen Sommerhitze und Trockenheit zu entkommen.

Drastisch werden die Folgen der Klimakrise auch für Flora und Fauna: 30 Prozent der in Deutschland 71.900 vorkommenden Tier- und Pflanzenarten sind bedroht. Ein Beispiel ist die Brockenanemone. Sie wächst auf dem höchsten Berg des Harzes und benötigt bestimmte klimatische Bedingungen, um gedeihen zu können. Aufgrund der steigenden Temperaturen ist sie in den letzten Jahren bereits in immer höhere Lagen des Harzes gewandert. Und da sie nun am höchsten Gipfel angelangt ist, bleibt ihr keine weitere Ausweichmöglichkeit, sodass sie binnen Jahren aussterben wird.

Während das Ende diverser Pflanzen- und Tierarten besiegelt sein dürfte, bietet ein heißeres Klima hierzulande anderen Arten optimale Bedingungen. Profitieren wird beispielweise die asiatische Tigermücke, die hierzulande Tropenkrankheiten wie das Denguefieber verbreiten kann. 2007 wurde diese Mückenart erstmals im Südwesten Deutschland entdeckt, doch sie ist längst auf dem Vormarsch nach Norden und wird sich bis 2050 bundesweit verbreiten.
Dies sind nur einige der erschreckend realen Beispiele, die Reimer und Staud für ihr Buch zusammengetragen haben. Die Fülle an Fakten und die Anschaulichkeit des Buches machen die Klimakrise auf einer ganz neuen Ebene spürbar.

Die beiden Autoren Nick Reimer und Toralf Staud © Joachim Gern

Bleibt die Frage, warum es zwar ein gewisses Problembewusstsein gibt, aber trotz allem keinen Aufschrei in der Bevölkerung, wenn sich die eigenen Lebensbedingungen wie auch die unserer Kinder und Enkel:innen so dramatisch verschlechtern werden?

Laut Reimer und Staud liegt das auch daran, dass die Aufheizung der Atmosphäre so schleichend voranging und -geht. Über Jahrzehnte messbare Veränderungen des Klimas sind für uns als Menschen praktisch kaum wahrnehmbar, sie gehen in gewöhnlichen Wetterschwankungen unter. Für zusätzliche Verunsicherung sorgen gezielte Kampagnen zum Beispiel der Öl-, Gas- und Kohleindustrie, die systematisch Zweifel an der Klimakrise geweckt haben (siehe auch: gp-e.de/propagandaschlacht-ums-klima). Es gibt nicht den einen Bösewicht, der verantwortlich gemacht werden kann. Denn tatsächlich tragen wir alle durch unseren (bisherigen) Lebensstil zur Krise bei.

Das Fazit des Buches: Alles wird sich ändern, wenn wir jetzt nichts ändern!

Dass es so kommen wird, wie von Reimer und Staud beschrieben, ist auf Basis der Klimamodelle höchst wahrscheinlich. Um zu verhindern, dass es noch schlimmer kommt, haben die Autoren einen klaren Rat: wirksamen Klimaschutz. Dies könnte – nein, müsste – das wichtigste Thema für die kommende Bundestagswahl werden. Deren Ausgang entscheidet auch darüber, ob Deutschland seinen Anteil daran leistet, damit das 1,5-Grad-Ziel von Paris überhaupt noch erreichbar ist. Wir haben es mit in der Hand: beim Wählen und im Alltag.

Deutschland 2050
Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird
Nick Reimer und Toralf Staud
Kiepenheuer & Witsch, 2021, 384 Seiten, 18 €
Mit einem Vorwort des Science4Future-Wissenschaftlers Prof. Volker Quaschning und einem Nachwort des Meteorologen Özden Terli.

VERLOSUNG: Wir verlosen drei Exemplare von „Deutschland 2050“. Zur Teilnahme schreiben Sie uns bitte bis zum 31. Juli 2021 eine E-Mail mit dem Betreff „Deutschland 2050“ und Ihrer Postadresse an verlosung@greenpeace-energy.de. Viel Glück!