Deutschland muss massiv auf erneuerbaren Wasserstoff setzen, um seine Klimaziele zu erreichen. Das ist das Ergebnis zweier von Greenpeace Energy beauftragter Analysen, die der Ökoenergieanbieter heute in Berlin präsentiert hat. Demnach wird in einem künftig vollständig erneuerbaren Energiesystem der Bedarf an erneuerbar produziertem Wasserstoff und daraus hergestellten Treibstoffen mit 1.089 Terawattstunden (TWh) im Jahr höher sein als der Bedarf an grünem Strom mit 959 TWh. Heute liegt der Stromverbrauch bei 596 TWh. „Damit diese Gasmenge wirklich grün ist, müssen die dafür nötigen Elektrolyseure auch mit grünem Strom laufen. Wenn bei ihrer Produktion hingegen Kohlestrom mit hohen CO2-Emissionen genutzt wird, hilft dieser Wasserstoff dem Klimaschutz nicht, sondern befeuert die Klimakrise“, sagte Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation von Greenpeace Energy. „Hier setzt die Bundesregierung mit ihrem Klimaschutzpaket gerade völlig falsche Signale. Zwar will sie endlich Wasserstoff fördern, zugleich vernachlässigt die Politik sträflich den Ausbau der Wind- und Solarenergie“, warnt Keiffenheim. „Wenn wir mehr grüne Gase wollen, brauchen wir auch viel mehr erneuerbare Energien. Da muss das Klimakabinett dringend nachbessern.“

Bei ihren Berechnungen haben die Expertinnen und Experten des Wuppertal Instituts und von Energy Brainpool die größtmögliche Energieeffizienz und entsprechende Einsparungen zugrunde gelegt. „Doch auch wenn wir den Verkehrssektor maximal elektrifizieren, werden für den Flugverkehr, die Seeschifffahrt und relevante Teile des Lkw-Verkehrs batterieelektrische Antriebe noch für viele Jahre keine Option sein“, erklärte Karin Arnold vom Wuppertal Institut, das den Verkehrsbereich für Greenpeace Energy untersucht hatte. Arnold beziffert den Energiebedarf eines emissionsfreien Verkehrssektors auf 355 TWh im Jahr. Davon entfallen 107 TWh auf Grünstrom, der direkt durch batterieelektrische Mobilität genutzt wird, mit 249 TWh aber deutlich mehr als das Doppelte auf erneuerbare Gase und synthetische Kraftstoffe, vor allem für den Flugverkehr.

Zudem werden durch aus erneuerbaren Energien produzierte Gase wie Wasserstoff oder synthetisches Methan in wichtigen Industriesparten und der Wärmeversorgung in großen Mengen gebraucht, wenn fossile Energieträger dort nicht direkt durch grünen Strom ersetzt werden können. Auch für die Versorgungssicherheit in einem vollständig erneuerbaren Energiesystem sind grüne Gase unverzichtbar, zum Beispiel bei sogenannten „Kalten Dunkelflauten" – längeren Phasen mit wenig Wind und Sonne und hohem Energieverbrauch.

„Elektrolyseure werden künftig eine attraktive Investition. Wir werden in Deutschland um das Jahr 2040 bis zu 115 Gigawatt an Elektrolyseuren wirtschaftlich betreiben können“, erläuterte Fabian Huneke von Energy Brainpool. „Das liegt zum einen an den Kosten, weil die Elektrolyseure im Ausland – aber eben auch im Inland – günstigen Überschussstrom nutzen. Zudem werden erneuerbare Gase einen hohen Verkaufswert erzielen.“

Um der Technologie hierzulande zum Durchbruch zu verhelfen, schlägt Greenpeace Energy ein zeitlich und im Volumen begrenztes Marktanschubprogramm vor. „Dabei sollten Elektrolyseure aber nur an netzdienlichen Standorten und bei energiewendedienlicher Betriebsweise gefördert werden“, so Marcel Keiffenheim. Bei einer energiewendedienlichen Betriebsweise laufen Elektrolyseure in Stunden mit besonders hohem Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung. Nach Analyse von Energy Brainpool wären 3.000 Betriebsstunden jährlich ein passender Wert, der auch die nötige Wirtschaftlichkeit der Anlagen sichert. Nur in diesen Stunden sollten die Anlagen von den sonst üblichen Abgaben und Umlagen auf den Strombezug befreit oder mit einem Betrag in dieser Höhe gefördert werden.

Solch ein Marktanschubprogramm sei eine „ausgezeichnete Zukunftsinvestition“, so Keiffenheim: „Wir benötigen den Elektrolyseur-Ausbau für das Gelingen der Energiewende, wir erschließen damit gleichzeitig attraktive Geschäftsfelder, die unserer Volkswirtschaft zugutekommen – und wir handeln von Anfang an klimapolitisch verantwortlich, indem wir den Betrieb der Elektrolyseure auf Zeiten mit den höchsten Erneuerbaren-Anteilen fokussieren.“

Hinweis für Redaktionen:
Die beiden Kurzstudien „Strom- und H2-Bedarf für einen dekarbonisierten Verkehrssektor in Deutschland“ des Wuppertal Instituts und „Erneuerbar in allen Sektoren – Sektoren koppeln mit Power-to-Gas“ von Energy Brainpool, dazu den von Greenpeace Energy und Energy Brainpool erarbeiteten „Fördervorschlag für Energiewende-dienliche Elektrolyseure“ sowie die Kurzfassung aller Studienergebnisse in einer Broschüre können sie auf unserer Webseite herunterladen: www.greenpeace-energy.de/presse.html